Seit seinen Teenagerjahren findet Häfliger Entspannung auf dem Sattel seines Velos. Doch erst um die Jahrtausendwende wurde das Velofahren zu einem regelmässigen Hobby. Damals zeigte die Waage eine dreistellige Zahl, worauf beim 56-Jährigen die Alarmglocken läuteten: «Jetzt musste etwas gehen.» Also kaufte er sich ein Mountainbike und meldete sich beim Veloclub Sins als Mitglied an. «Nachdem ich das erste Mal mit meinen Teamkollegen unterwegs war, war ich richtig kaputt. Aber es motivierte mich, weiterzumachen.» So kam es, dass er pro Woche rund drei Mal auf sein Velo steigt und für zwei bis drei Stunden unterwegs ist. Im Jahr kommen so bis zu 6000 Kilometer zusammen. Drei Viertel davon absolviert er auf dem Rennvelo, einen Viertel auf dem Mountainbike.
Von der Idee zur Umsetzung
Vor gut vier Jahren erhöhte er jedoch seine durchschnittliche Fahrraddistanz auf 10’000 Kilometer. Dies, weil er etwas Spezielles vorhatte: «Ich wollte schon immer etwas Verrücktes in meinem Leben machen. Was genau, wusste ich jedoch nicht.» Er erzählte dies seinem Kollegen Robert Stadelmann und dieser kam mit dem Vorschlag, dass sie zusammen an der australischen Crocodile Trophy mitmachen könnten. «Ich kannte das Rennen nicht und fing an, mich damit zu befassen.» Als er seiner Partnerin Madeleine von seiner Idee erzählte, war diese sofort begeistert und sagte zu, ihn nach Down Under zu begleiten. Somit war klar, dass nun für dieses Rennen trainiert werden musste. Häfliger holte sich für die Vorbereitung Unterstützung in Form eines Langstrecken-Profis und eines persönlichen Trainers: «Dieser hat mir Trainingspläne zusammengestellt, nach welchen ich Velofahren ging. So erhielt ich mehr Ausdauer und Kraft.» Für das mentale Training brauchte er keinen Coach, das übernahm er selbst. «Ich wusste, dass es ein langes Rennen in der Hitze um die 40 Grad sein wird. Auf das habe ich mich eingestellt», so der 56-Jährige. Häfliger fährt auch nach Puls und Watt. Somit kann er jederzeit seine körperliche Leistung einschätzen. «Bei der Vorbereitung auf die Crocodile Trophy war das wichtig. Ich musste meine Leistungsgrenze kennen, damit ich das Acht-Etappen-Rennen in Australien schaffe.» Auch die Intensität seiner Trainingseinheiten wurden verstärkt. So sass er pro Woche fünf bis sieben Mal auf dem Velo, was rund 550 Stunden Velofahren im Jahr bedeuteten. «Dabei wurde ich auch von meinem Arbeitgeber unterstützt. Ich konnte früher beginnen und gegen 16 Uhr Feierabend machen, um meine Trainingseinheiten einzuhalten», so der Schreiner.
Im November letzten Jahres war es endlich soweit und Häfliger flog mit seiner Partnerin und dem befreundeten Ehepaar Stadelmann nach Australien.
Das Schicksal meinte es gut
Vor Häfliger lag ein 700-Kilometer-Rennen, verteilt auf acht Tage. Dazu musste er rund 15’000 Höhenmeter überwinden. «Die kürzeste Etappe war drei Stunden, die längste gut acht Stunden lang.» Was für einen Plausch-Velofahrer nach Ewigkeiten tönt, war für ihn keine grosse Herausforderung. «Ich habe mir viele Gedanken gemacht oder gesungen. Meistens die gleichen drei, vier Wörter einer Strophe und x-tausendmal wiederholt. Damit kam ich in einen Flow», erzählt er. Jedoch musste Häfliger bereits am dritten Renntag einen Rückschlag einstecken. «Ich verlor ein Teil an meinem Mountainbike. So musste ich den Rest des Rennens mit einem Ersatzvelo absolvieren.» Dieses bekam der Schweizer von einem Österreicher, jedoch war es ihm eine Nummer zu klein. «Ich startete an der vierten Etappe mit diesem Velo, welche zeitgleich die härteste Etappe war. Ich war völlig demotiviert und wollte eigentlich schon aufgeben.» Doch dann nahm das Schicksal eine positive Wendung: «Die Rennstrecke ging steil bergab und war voller Steine. Fast alle Teilnehmer liefen hinunter. Aber ich konnte mit dem Velo gut fahren. So überholte ich einen nach dem anderen und war plötzlich weit vorne im Feld.» Häfligers Motivation war wieder da und so absolvierte er den Rest des Rennens mit dem zu kleinen Velo. Motiviert wurde der 56-Jährige auch von seiner Lebenspartnerin. Madeleine trug sich für das Rennen als Helferin ein, und war so bei den Verpflegungsständen eine mentale Stütze.
Neue Pläne möglich
Nach acht Tagen erreichte er glücklich und gesund das Ziel. Häfliger hatte während dem ganzen Rennen weder Krämpfe noch einen Sturz noch einen Sonnenstich. Dennoch zeigten sich die körperlichen Strapazen schnell. «Nach dem Rennen hatte ich fast keine Kraft mehr in meinem rechten Arm. Ich konnte kaum die Zähne putzen oder mich rasieren.» Erholung fand er bei den anschliessenden 16 Tagen Ferien, die er mit Madeleine in Australien verbrachte.
Zurück in der Schweiz konnte er sein kaputtes Velo schnell reparieren Die Motivation für das Velofahren liess jedoch auf sich warten. «Das Ziel, auf das ich während vier Jahren hintrainierte, war mit dem Absolvieren der Crocodile Trophy weg.»
Mittlerweile ist Häfliger jedoch wieder drei Mal wöchentlich auf seinem Velo unterwegs. Ob er noch einmal an einem so verrückten Velorennen mitmachen würde, schliesst der Schreiner nicht aus. «Aber etwas Verrücktes zu machen, muss nicht unbedingt mit dem Velo sein. Vielleicht laufe ich mit Madeleine auch mal den Jakobsweg.»
Rahel Hegglin, Anzeiger Oberfreiamt